Weil Kindchen Reisewünsche hat, verschlug es uns im Sommer 2021 nach Venedig. Er wollte sehen, wie es ist, wenn es keine Straßen mit Autos gibt, sondern alles “unter Wasser” liegt. Ich hatte keine Einwände gegen das Reiseziel, denn ich war erst einmal in Venedig und das war 1999. Uiuiui, so lange her. Aber verändert hat sich nicht viel, außer dass mehr Touristen unterwegs sind. Wir reisten bequem per Zug an. Eigentlich, wenn der Schienenersatzverkehr nicht gewesen wäre. Hier könnt Ihr lesen, was wir zusammen in Venedig unternommen haben.
Endlich geht es wieder los. Mit dem Zug von München nach Venedig. Eigentlich wollten Kindchen und ich nach Rom und Venedig, aber das wäre zeitlich eng geworden und zwei Städte mit einem 9-jährigen ist vielleicht auch nicht der Knaller. Also wird Rom verschoben und wir fuhren erstmal nach nur Venedig.
1. Tag und Anreise
Ich stand kurz nach 5:00 Uhr auf und trank gemütlich meinen Kaffee, während ich gedanklich den Inhalt meines Rucksacks durchging. Gestern Abend habe ich noch zwei 3-Tages-Tickets mit den öffentlichen Verkehrsmitteln (also die Boote) in Venedig auf der Webseite von GetYourGuide gekauft, da es hieß, online wären diese günstiger. Ich habe für 1 Erwachsenen und 1 Kind dabei 84,00 € bezahlt, Kinder zahlen ab 6 Jahren tatsächlich den vollen Preis, dabei ist der 3. Tag sogar schon umsonst. Urg. Naja, so ist das. Dafür fährt das Kindchen im Eurocity gratis mit und das Hotel fast direkt am Markusplatz ist mit 350,00 € für vier Nächte inkl. Frühstück zum Glück auch kein Wucher.
Die Fahrt verlief bis Innsbruck sehr gemütlich in unserem Abteil, aber dann hieß es auf einmal, Schienenersatzverkehr. Na toll. Bis Bozen würde uns ein Bus bringen. Also wurden an alle Reisenden, die nach Italien fuhren, ein Papierstück mit einer Nummer ausgeteilt, das sollte unser Bus sein. Der ganze Eurocity wurde in Innsbruck auf 5 oder 6 Busse verteilt, die nun in Kolonne über den Brenner tuckerten und natürlich über eine Stunde im Stau standen. Dann noch die vielen roten Ampeln in Bozen. Das war genau das, was wir nicht wollten. Im Stau stehen kann ich auch mit dem Auto und eigentlich sind Zugreisen ja wirklich ökologischer. Aber nicht, wenn genau zu Bayerns Ferienbeginn am Brenner die Schienen ausgetauscht werden müssen. Gibt ja keinen anderen Termin dafür.
Unser Anschlusszug wartete zum Glück auf die Busse, aber dieser hatte dann 40 Minuten Verspätung. Unsere schönen Sitzplätze im Abteil bekamen wir leider nicht wieder. Vielmehr nahmen wir die erstbesten, die wir kriegen konnten, weil der Zug ohnehin schon knackevoll war. Sowas braucht man zu Coronazeiten auch nicht unbedingt.
Über 3 Stunden dauerte dann die Weiterfahrt und mit 1 Stunde und 30 Minuten Verspätung kamen wir schließlich am Nachmittag in Venedig Santa Lucia an.
Hui, warm war es. Raus aus dem Bahnhofsgebäude, rein in die Stadt. Da standen wir auch schon Mitten in Venedig vor den ersten Brücken am Grand Canal.
Kindchen schnappte sich mein Handy und führte uns mit dem Navi durch die verwinkelten Gassen zu unserem Hotel ca. 30 Minuten entfernt. Hat er gut gemacht.
Das Hotel wirkt von außen nicht so berauschend, aber man darf sich ja nie vom Äußeren tauschen lassen. Die Empfangshalle ist lang, wir bekamen ein Zimmer im 3. Stock mit Blick in einen schönen Hinterhof und über die Dächer der Stadt. Da es schon 17:00 Uhr war, futterten wir erstmal unseren ganzen Reiseproviant auf und suchten uns später ein vernünftiges Abendessen.
Kindchen meinte schließlich, ihm gefallen die Häuser hier überhaupt nicht und er hätte sich Venedig anders vorgestellt. Er fühle sich nicht wohl hier. Das glaubte ich ihm, denn die Häuserfassaden in den Gassen rund ums Hotel machen keinen schönen Eindruck, sind heruntergekommen und die vielen kleinen Fensterchen mit Gitterstäben aus der Nachkriegszeit auch nicht schön anzusehen. Aber die Fassaden sind nun einmal nicht überall auf der Welt gleich. Die Welt ist bunt. Hier so und da anders. Auf diese Weise lernt man sein Eigenes wieder mehr zu schätzen. Was auch schon bei 9-jährigen so ist. Ich hoffte, dass wir hier trotzdem eine schöne Zeit haben werden.
2. Tag
Beim Frühstück bekam das Kindchen irgendwie auch nichts runter. Er fühlte sich tatsächlich unwohl hier. Da ist Mamas Kreativität gefragt, wie wir nun weitermachen. Man kann in Kinder ja vieles hineinprügeln, zum Beispiel eine Städtetour bitte ohne Gequengel und Gemurre. Man kann aber auch einiges herausstreicheln und Kinder durch ihren Gefühlssturm liebevoll begleiten. Das ist dann schon eher meins und ich weiß ja, wie es ihm geht und was er braucht. Ich suchte auf Google Maps einen Supermarkt, wir fanden diesen und kauften erstmal eine schöne große Melone für ihn, die er im Zimmer zur Hälfte aufaß. Mutti hat ja sogar an Besteck gedacht, um die Melone zu halbieren. So, Kind erstmal happy.
Danach wagten wir einen ersten Versuch und spazierten zum Markusplatz (Piazza San Marco), der drei/vier Gassen entfernt lag. Aber er hatte immer noch ziemliche Startschwierigkeiten und äußerte lautstark sein Bedürfnis: raus aus den Gassen und rein ins Hotel. Ich wartete ungeduldig auf bessere Zeiten und er bastelte. Was man halt so macht. Wenn wir Eltern unseren Kindern nicht aktiv zuhören, kann man Situationen nicht verbessern. Von den Kleinen wird so viel abverlangt und sie selbst müssen die meiste Zeit fremdbestimmt mitmachen. Das hat bei uns noch nie funktioniert und würde umgedreht den Großen auch nicht immer gefallen. Wenn ich aber nicht zuhören will, kann er nichts dafür und wenn ich trotzdem weiter auf Streifzug gehen will, ist Streit vorprogrammiert. Weil ich das weiß, warte ich lieber geduldig, weil ich auch weiß, dass sich solche Situationen von alleine beruhigen.
Denn, 12:00 Uhr war er startklar, gerade mal 20 Minuten später. Aber leider nicht für einen Städtetrip durch Venedigs Gassen. Ein Plan musste her. Dreimal nachgedacht, dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. “Anziehen, Badesache einpacken, wir fahren an den Strand.” Mamas Ansage ging durch die Decke. Im Nu stand er bereit, Rucksack geschultert und Badehose schon drunter gezogen, bevor ich überhaupt die Handtücher einpacken konnte.
Um zum Lido zu kommen, müssen wir dennoch durch die Stadt und auch die Wassertaxis nutzen. Da haben wir zwei Fliegen mit einer Klappe. Strand und Städtetrip ;-) Mit Kakao und Kaffee gestärkt ging’s endlich los.
Zuerst mussten wir einen Ticketautomat für unsere Fahrkarten finden, dafür mussten wir an den Grand Canal. Ein bisschen haben wir uns verlaufen, aber das war nicht weiter wild. Den Linienfahrplan der Boote ist etwas wirr zu lesen, denn es sind ja Wasserlinien und die Zeichnung muss man erstmal begreifen, wenn man das Schnellbahnnetz aus München gewohnt ist.
Der Wasserbus brachte uns über mehrere Haltestellen nach Lido, eine Insel, auf der zu meinem Erstaunen Autos fuhren. Wir kamen am Westufer an und mussten einmal geradeaus zum Ostufer laufen. War nicht schwer. Aber dafür umso schöner hier. Dem Kindchen gefiel es gleich viel besser. Hübsche Häuser, überall Blumen und Bäume. Denn das fehlt in Venedigs Gassen.
Er meinte, Venedig hat Vor- und Nachteile. Vorteil ist der nicht vorhandene Autolärm und rote Fußgängerampeln. Nachteil sind die teilweise unschönen Gassen.
Ein Eis und ein paar Kilometer Spaziergang später kamen wir zuerst an einem Privatstrand an und 400 Meter weiter nach links auch an einem öffentlichen Strand. Der Privatstrand war mir mit 25,00 € für ein Schließfach und ausverkauften Sonnenschirmen zu teuer. Außerdem haben wir nichtmal Wertsachen dabei. Am öffentlichen Strand zahlten wir keinen Eintritt, nur 15,00 € für den Schirm, den wir nahmen. Fand ich eine übertriebene Abzocke, aber Sonnenbrand kam auch nicht in Frage.
Aber jetzt endlich ab ins Wasser. Was vielmehr hieß, ab In die Wellen. Wow, waren die hoch und das Wasser wärmer als der See bei uns zu Hause. Eine Welle nach der anderen, so hoch wie wir noch nie hohe Wellen erlebt haben. Später fanden wir an diesem Privatstrand eine Snackbar unter dem große Sonnensegel und bestellten zweimal Penne mit Tomatensoße für 25,00 €. Etwas teuer, aber naja. Als wir am Abend den Strand verließen und uns auf den Rückweg machten, wieder quer über Lido, kamen wir an Pizzabuden vorbei, zwei große Stücken to take away für 5,60 €, schon besser :-)
Am Hafen mussten wir wieder die richtige Lane für unser Boot finden. Steigt man ins falsche ein, kommt man womöglich noch auf der falschen Insel heraus
“Plaza de Marco” kann nicht so verkehrt sein, also nahmen wir Lane 14. Die brachte uns auch ohne Zwischenstopp hinüber. Kindchen wäre fast im Stehen eingeschlafen, aber insgesamt fand ich die Boote viel zu voll. Bei allen unseren Bootsfahrten blieben direkt am Bootsrand mit Blick aufs Wasser stehen. Alles andere hätte ich wegen Corona gar nicht gewollt.
Insgesamt fand ich es nicht voll in Venedig und möchte ehrlich gesagt gar nicht wissen, wie voll es früher gewesen war, als noch 12.000 Gäste die Schiffe verließen und sich durch die wirklich teilweise engen Gassen stopften.
Wir liefen über den Plaza de Marco zum Hotel, den Weg wusste ich noch von heute früh. Kindchen fütterte noch kurz Tauben, weil er von irgendjemandem plötzlich Taubenfutter in die Hand gelegt bekam. Das habe ich gar nicht mitbekommen, so schnell ging das. Eine Taube flog ihm natürlich in Sekundenschnelle auf die Hand, aber der Typ wollte dann eben Geld von mir und von vielen andern Eltern auch, die weder Taubenfutter absichtlich kaufen noch Geld für diese Aufdringlichkeit zahlen wollten. Dann kam die Polizei angelaufen und ich konnte das Kindchen über solche Trickbetrüger direkt aufklären. Der Typ war plötzlich weg und Kindchen fand ihn auf der anderen Seite des riesigen Plaza de Marco wieder.
3. Tag
Das Kindchen wünschte sich, heute nochmal an den Strand zu gehen. Ich hatte nichts dagegen, wenn wir dafür auch etwas für mich unternehmen würden. Das war ein gerechter Plan. Nach dem Frühstück ging’s los.
So fuhren wir mit dem Wasserbus erneutzum Lido und hatten im Meer wieder unseren Spaß. Am Nachmittag machten wir uns auf den Rückweg. An den Unkleidekabinen und Duschen wollte man jeweils 1,00 € haben, das Kindchen duschte sich den Sand ab und wir zogen uns um.
Also ich zog mich nur zur Hälfte um, denn ich hatte meine Unterhose im Hotel vergessen und meine Badehose war noch ziemlich nass. Also lief ich in Badehose ein Stück, damit diese noch trocknen konnte. War ein schöner Blickfang für andere. Irgendwo auf halbem Weg habe ich dann meine kurze Hose drüber gezogen.
Das Schiff brachte uns zurück in die Stadt und da ich gerne noch die Rialtobrücke sehen wollte, fuhren wir ein Stück weiter, bis wir dort ankamen. Kindchen bemerkte sofort die vielen Geschäfte auf der Brücke links und rechts der Treppe.
Auf der anderen Seite irrten wir durch die Gassen in Himmelsrichtung zu unserem Hotel und lagen auch gar nicht so verkehrt. Das Navi erledigte noch das Rest, auch wenn es in den schmalen Gassen etwas schwierig war auszumachen, wo wir uns nun genau befanden.
So durchliefen wir eine Gasse nach der nächsten, hier links, da rechts, dort ein hübsches Fotomotiv und insgesamt konnte man diesen Spaziergang als den Städtetrip betrachten, den ich mir vorgestellt habe. Ganz ohne darüber nachzudenken, dass die Gassen ja teilweise gar nicht hübsch sind.
4. Tag
Nachdem wir nun also zwei Tage machten, was das Kindchen sich wünschte, hat er unseren Deal nicht vergessen und ich schlug vor, zum Castell zu fahren sowie der Insel Murano einen Besuch abzustatten.
Also ging es nach dem Frühstück auch schon los zur Bootsanlegestelle und wir nahmen unsere altbekannte Linie Richtung Lido, stiegen aber in S. Elena aus.
Dort standen tatsächlich ein paar Bäume in einem kleinen Park. Pinienbäume. Mein Lieblingsduft. Weil Pinienkerne so lecker sind, wollten wir wissen, wie diese denn gewonnen werden. So holten mit einem Stock einen Pinienzapfen vom Baum und entnahmen die leider ausgetrockneten Kerne. Wir konnten die natürlich nicht mehr essen, aber wussten jetzt, wie sie geerntet werden.
Dann spazierten wir weiter zu dem kleinen Hafen, an dem Segelboote und kleine Yachten lagen, dann weiter Richtung Castell und durch Gassen, die viel breiter sind als die in der City und auch fast menschenleer. Ein ganz anderes Venedig ist das hier.
In einer belebteren Gasse fanden wir ein Café, in dem wir uns mit Fruchtsorbet und kaltem Beerendrink versorgten.
Dann ging es über Brücken und durch Gassen weiter bis zur Anlegestelle Fontamente Nove und warteten auf das Boot nach Murano. Dieses war so richtig voll, sehr unangenehm. Es brachte uns in ein paar Minuten zur Insel hinüber, froh darüber, dass wir endlich aussteigen konnten. Dort spazierten wir die Hauptgasse entlang dem Kanal in die Insel hinein und bemerkten gleich die vielen Glasbläsereien und Souvenirgeschäfte. Kann ich mir jetzt nicht so viel abgewinnen.
Nach eine Spazierpause mit zwei Erfrischungsgetränken liefen wir weiter zum Leuchtturm und wären da jetzt eigentlich wieder ins Boot gestiegen. Nur leider reichte die Schlange mindestens 100 Meter in die Gasse hinein und da anstellen hätte uns bestimmt eine Stunde mit unnötiger Nörgelei gekostet.
Stattdessen fanden wir ein gutes Thema zum Quatschen und konnte somit zu einer anderen Anlegestelle spazieren. Nach 15 Minuten siehe da, an dieser Anlegestelle warteten eine Handvoll Leute auf ein nahezu leeres Boot und zum erste Mal bekamen wir sogar einen Sitzplatz. Kindchen auf meinen Schoß schlief direkt ein, bis wir am Plaza Roma ankamen.
Dort war er wieder halbwegs fit und wir setzten den Spaziergang fort durch die Gassen und entlang der Kanäle bis zum Canal Grande. Zwei Stationen weiter mit dem Boot und schon kamen wir dort an, wo unsere Tour heute morgen begann. Am Ende legten wir 8,5 Kilometer zurück und das war doch ganz ordentlich.
Zurück am Hotel chillen wir ein bisschen und gingen gegen 19:30 Uhr nochmal raus um uns eine Pizza zu organisieren.
5. Tag und Heimreise
Heute ging es wieder nach Hause und ich musste noch einen Coronatest machen. Da ich wusste, dass am Bahnhof Santa Lucia eine Teststation des italienischen Roten Kreuzes steht, kümmerte ich mich im Vorfeld nicht darum, eine andere ausfindig zu machen. Was ich allerdings nicht wusste war, dass man mindestens 4 Stunden ansteht. Das verriet uns ein Deutscher, der bereits seit 8:00 Uhr hier stand. Vier verdammte Stunden warten um einen 10-Sekunden-Abstrich zu machen. Wir suchten ein paar Minuten nach dem Ende der Schlange und die war irgendwo in der Sonne bei 37 Grad. Nee, bei aller Liebe. Nein!
Ein Blick auf die Anzeigetafel die nächste Überraschung. Eurocity nach München, cancelled. Ok. Kühlen Kopf bewahren. Ohne Test, keine Einreise, ohne Zug auch nicht. Kindchen hat Hunger. Priorität hat das Kind. Essen gekauft und Infoschalter gesucht. Der freundliche Herr erklärte uns, dass nicht der komplette Zug nach München gechancelled ist, sondern nur der Zug von Santa Lucia nach Venedig Hauptbahnhof. Er verkaufte uns zwei Tickets für 1,10 € und wir kamen damit zum Hauptbahnhof. Dort fuhr unser Zug planmäßig nach München.
Da Zugfahren für Kinder ja kostenfrei sind und ich nur 35,00 € für die Rückfahrt zahlte, war es am Ende auch egal, dass wir in Innsbruck ausstiegen, ich dort meinen Coronatest machen konnte ganz ohne Wartezeit und mein lieber Ehemann uns mit dem Auto direkt an der Teststation abholte. Am Ende hatten wir einen Zeitverlust von 30 Minuten, aber das war ganz klar die besser Alternative.