Manchmal begreifen wir erst nach einem Schicksalsschlag, dass wir am Leben sind und nur eine begrenzte Zeit in dieser Welt verbringen dürfen.
Ich verstand vorher schon, wie wichtig Liebe, Freiheit und Gesundheit sind. Welches Privileg wir damit haben. Dann kommen mir so Dinge wie unsere halbverkorkste Reise so klein und nichtig vor und lächerlich obendrein. Ja, ich habe diese Reise wirklich schlecht geplant und war einfach mit dem Kopf nicht bei der Sache. Aber ist ja auch klar, wenn der eigene Vater plötzlich schwer erkrankt und dem Tod von der Schippe springt. Ich stehe deshalb schon das ganze Jahr neben mir und entsprechend ist auch die Reiseplanung verlaufen. Aber hey, wir sind frei und gesund, was soll also das Gejammer über drei Wochen kopflose Ferien? Mein Vater dagegen wollte nur eine Reha machen und durfte diese nicht mehr erleben.
Aber ich möchte jetzt trotzdem erzählen, wie es dazu kam und was wir überhaupt gemacht haben in unseren drei Wochen.
Normalerweise brauche ich einen Plan, das gibt mir Sicherheit und ich weiß, was als nächstes kommt. Einfach drauflos fahren finde ich anstrengend, unvorbereitet und ist letztlich auch teurer, wie wir schmerzlich erfahren mussten. Wir reisen schon immer auf diese Weise um die Welt, seit über 20 Jahren machen wir Rundreisen und Roadtrips und allesamt waren diese genau geplant. Denn wenn ich schonmal dort bin, möchte ich auch das bestmögliche daraus machen. Alles andere ist mir zu stressig vor Ort. Ich kann Stress nicht ausstehen und der Stress mag auch mich nicht. Eine einzige Ausnahme, die wir gemacht haben, waren unsere 3 Monate Elternzeit in Schweden. Da hatten wir Zeit und konnten vor Ort in Ruhe überlegen, wo es lang gehen soll. Aber das ist auch etwas anderes als 3 Wochen.
Weil unser Balkan-Raodtrip letztes Jahr so ein toller Erfolg war, wollte ich dieses Jahr daran anknüpfen und unsere Route um den den letzten Balkanstaat, nämlich Griechenland, vervollständigen. Soweit der Plan. Also kam Peloponnes in Frage. Reiseführer gekauft, Autofähre gebucht und Route geplant. Erster Fehler: Ich buchte die Autofähre ab Bari, was uns letztlich eine Hin- und Rückreise von jeweils zwei Tagen kostete. Zweiter Fehler: Peloponnes erschien mir bei der Planung nicht mehr spannend genug, um meine Sehnsucht nach neuen aufregenden Abenteuern zu befriedigen. Griechenland ist eben nichts Neues und aufregend schon gleich dreimal nicht.
Meine Zweifel an der Reise nahmen ihren Höhepunkt, als dann auch noch das Kindchen anmerkte, dass er auf Griechenland so gar keine Lust hat und warum wir nicht mal dorthin fahren, wo ER gerne hinmöchte. Guter Punkt! Ich war kurz davor, alles zu stornieren und einen seiner Sehnsuchtsorte zu buchen, drei Wochen vor Abreise. Wir quatschten zwei Tage drumherum und ließen am Ende doch alles beim Alten. Zumindest für die nächsten zwei Tage. Dann stornierte ich die komplette Rundreise und buchte eine Route nach Istanbul. Als ich mit dem Vorschlag um die Ecke kam, war die Familie begeistert, auch der Sohn, als ich von der Blauen Moschee und dem Gewürzmarkt erzählte. Man muss wissen, dass ich ausschließlich Unterkünfte mit kostenfreier Stornierung buche, sonst wäre das gar nicht möglich gewesen. Die Autofähre hatte leider keine flexiblen Tarifbedingungen, weshalb ich diese nicht stornieren konnte.
Tag der Abfahrt, auf Höhe Brenner, fiel mir ein, dass ich unsere Fahrzeugpapiere vergessen habe. Die lagen zu Hause. Schön! Ohne Papiere, keine Ausreise aus der EU und vor allem erst recht keine Wiedereinreise. Als unsere Nachtfähre ein paar Tage später schließlich Patras ansteuerte, vernahmen wir den Nachrichten auf dem TV, dass es auf unserer geplanten Route nach Istanbul brennt, und zwar so gewaltig, dass die Straße gesperrt sowie Ortschaften evakuiert wurden, unter anderem diese, in denen unsere Unterkünfte gebucht waren. Eine andere Route in die Türkei gibt es nicht. Derweilen haben wir sämtliche Ideen durchdacht, wie wir per Zug, Bus oder mit einem Mietwaren nach Istanbul kommen könnten. Aus einem Wildbrand wurden drei auf dieser Route und somit hat sich das Thema Istanbul gänzlich erledigt. Lange Gesichter bei allen Familienmitgliedern.
Wieder war Stornierung und Umplanung angesagt. Leider konnte ich zwei Unterkünfte auf dem Weg nach Istanbul so kurzfristig nicht mehr stornieren, weshalb wir die behalten “mussten”. Da mich aber Santorin schon seit mindestens wenn nicht noch mehr Jahrzehnten reizt, buchte ich kurzerhand, aus Trotz wohlgemerkt, eine Fähre und eine Selbstversorgerunterkunft auf der kleinen Insel in der südlichen Ägäis, wo es keine Wälder gibt, die brennen konnten. Also gestaltete sich der Roadtrip so, dass es zunächst von Patras nach Thessaloniki ging.
Auf dem Weg dahin kletterte das Thermometer auf stattliche 39 Grad, was mir so gar nicht gefiel, da wir alle drei nicht zu denen gehören, die Hitze kreislaufmäßig so wahnsinnig gut wegstecken. Noch dazu stieg die Öltemperatur im Auto auf 118 Grad an, bei 130 Grad würde uns womöglich noch der Motor um die Ohren fliegen. Da es glücklicherweise bergig wurde und wir somit an Höhenmetern gewannen, gingen nach der Hälfte der endlosen Strecke von 6 1/2 Stunden die Temperaturen wieder nach unten.
Thessaloniki hat mir so gar nicht gefallen. Dreckig, laut, unübersichtlich und optisch alles andere als ansprechend. Hätte ich das mal vorher gewusst. Hier blieben wir zum Glück nur eine Nacht. Unser Ferienhäuschen für die nächsten Nächte ca. 1 Stunde südlich von Thessaloniki war dann endlich unser erster Ruhepol auf dieser Reise. Herrlich ruhige Lage in der Nähe des Sahara Beach, wo wir chillten und Badespaß genossen.
Leider zogen eines Tages die Rauchwolken aus Alexandroupolis über das Land und versetzten diese in eine Endzeitstimmung. Die Brände waren so nah. Allerdings erfuhren wir von einem weiteren Wildbrand bei Athen, der ebenfalls an unserer Route liegt. Nachdem sich der Mann dann auch noch eine ziemlich schlimme Verletzung zugezogen hatte, entdeckte ich zur Aufheiterung des Tages einen riesigen Riss in der Windschutzscheibe des Autos. Na das fehlte jetzt noch.
Keine Ahnung, ob wir wegen der Verletzung zu einem Arzt sollten oder wie der Riss entstanden ist, denn gestern Abend war der noch nicht da und er wurde in den nächsten Nächten immer größer. Die Verletzung konnten wir schließlich selbst verarzten und den Riss ließen wir Riss sein. Nützt ja nichts und auf ADAC mit Werkstatt hatte ich keine Lust, weil uns dann die Fähre nach Santorin davon gefahren wäre. Womöglich hätte ich dann die ganze Reise komplett abgebrochen. Doch aufgrund des fehlenden Fahrzeugscheins konnten wir nicht mal über die Landroute nach Hause fahren, sondern waren auf die Rückfähre nach Italien in zwei Wochen angewiesen.
Über den Olymp, den höchsten Berg des Landes, wo wir die alten Klöster von Agios Dionysios besucht sowie eine Wanderung zum wunderschönen Wasserfall Enipeas unternommen haben, ging unser Trip also weiter nach Athen. In Athen fuhren wir direkt an zwei Bränden vorbei. Die Straßenränder schwarz, die Bäume verkohlt, die Hügel ebenfalls. Hier hat es alles dahingerafft und ich fragte mich, ob man den einen oder anderen Brand hätte vermeiden können, wenn die Leute nicht einfach überall ihren Müll liegen lassen würden. Leichtentzündliche Sachen werden einfach in die Landschaft geschmissen. Auf den Autobahnen kamen wir diverse Getränkedosen entgegen geflogen, die die Autofahrer vor uns einfach aus dem Fenster geworfen haben. Das muss doch nicht sein.
Überhaupt ist es unendlich erschreckend, wie ärmlich das griechische Festland doch ist. Hochhäuser komplett heruntergekommen, kaputt und die Fenster teilweise eingeschlagen. Extrem löchrige Fahrbahnen (außer die Autobahnen mit Mautstationen), Müllhalden überall, es ist optisch einfach nicht schön hier und ich verstehe den Touristenansturm auf das Land nicht. Die Inseln sind bestimmt schöner. Hoffentlich.
Auf Santorin verbrachten wir dafür die schönste Zeit des Urlaubs, hier hat es uns wirklich gut gefallen. Zum Reisebericht geht es hier entlang. Einzig die krasse Gefühlsstärke des Kindes, die sich mal wieder bemerkbar machte, weil alles unentspannt war, brachte mich dazu, einen Tag alleine loszuziehen um die Inselstädte zu erkunden. Die Männer chillten in der Zeit am schwarzen Strand und das Kind hält mir heute noch vor, dass ich einfach alleine losgefahren bin. Durch die Städte laufen um eine Kirche zu finden bei 35 Grad, noch dazu ständig zum Fotografieren stehen zu bleiben, hätte ihm aber wirklich nicht gefallen und ja, ich hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen, aber ich wollte schon so lange hier her und mir dieses eine Mal nicht vermiesen lassen. Ich denke, die Mütter unter uns verstehen das :-)
Auf der Hin- und Rückfahrt Santorin – Athen machte die Fähre an vier Inseln Halt, nämlich Silos, Mykonos, Paros und Ios, was eine schöne Abwechslung zu der sonst langen Fahrt darstellte, da wir immer an Deck gehen, beim Ein- und Ausladen zuschauen und die Insel betrachten konnten. Teilweise sind die so dünn besiedelt, dass man hier wirklich Ruhe finden kann. Über die Anreise von Athen nach Thira mit der Autofähre habe ich hier einen Bericht geschrieben.
Nach einer Zwischenübernachtung in einer wunderschönen Unterkunft auf einem Hügel im Nordosten des Peloponnes und einem Ausflug ins Theater von Epidauros steuerten wir unsere letzte Unterkunft an, denn nach dem Raodtrip wollten wir uns für ein paar Tage, wie letztes Jahr schon, ein schönes Hotel mit Poollandschaft und Meer gönnen.
Das Hotel war aber leider auch noch ein Reinfall. Aus den fünf Sternen machte das Kindchen Null Sterne, den kinderfreundlich sieht wirklich anders aus. Die Poollandschaft ist sehr schön und es gab einen tollen Innenpool, den wir häufig nutzten. Aber da hier auch die Reichen und Schönen urlaubten, hatten wir mit Kind ständig das Gefühl, zu stören. Wie es eben so ist. Kinder haben jederzeit mucksmäuschenstill, gehorsam und brav zu sein. Jedenfalls hatte nicht einmal die Umgebung des Hotels etwas zu bieten, nur heruntergekommene Ortschaften, wo man nicht sein wollte, die Strandbars kaputt, die Promenade hässlich.
Die Rückreise dauerte schließlich nochmal drei Tage und bevor unsere Fähre Bari erreichte, brach der Kreislauf des Mannes zusammen und ein Arzt eilte herbei. Nach einer Stunde konnte er wieder stehen, aber es war gut, dass wir uns auf die Heimreise machten.
Zuletzt dann das schlimmste Ereignis, denn während der Reise telefonierte ich immer wieder mit meinem Vater, der dann leider kurz nach unserer Ankunft verstarb. Er wollte uns sehen und fragte ständig, wann wir nach Hause kommen, als ob er schon unbewusst ahnte, dass sein Körper nicht mehr kann. Leider kamen wir zu spät und somit war ein Wiedersehen nicht mehr möglich.
Einen ausführlicheren Reisebericht gibt es in der Webversion lesen. Viel Spaß dabei!